Manuel Ostermann (29) ist seit 2015 aktives Mitglied der DPolG Bundespolizeigewerkschaft und seit 2019 deren stellvertretender Bundesvorsitzender. Der Polizist durchlief seine Ausbildung bei der Bundespolizei – einer Behörde, die vor allem in der Corona-Hochphase besonders gefordert war. Als Gewerkschafter hat er eine ganz eigene Sicht darauf.
BBBANK-INFO: Herr Ostermann, was hat sie bewegt, sich gewerkschaftlich zu engagieren?
MANUEL OSTERMANN: Wenn man bei der Polizei anfängt, hat man mit Polizeigewerkschaft erst mal wenig am Hut und fragt sich, ob die überhaupt gebraucht wird. Ich habe dann aber relativ schnell gemerkt, dass ein starker Partner außerhalb des Dienstherrenbereichs für die eigene Position sehr gut ist. Für mich persönlich ist die Gewerkschaft auch allein deshalb schon erforderlich, um neben dem Dienstherrn eine weitere deutliche Stimme in der Öffentlichkeit zu haben.
Wie hat sich Ihre Arbeit als Gewerkschafter in Corona-Zeiten geändert?
Intern mussten wir natürlich wie alle anderen auch auf Corona reagieren und bei gewerkschaftlichen Treffen und Vorstandssitzungen zu digitalen Medien wechseln. Da fehlte natürlich der persönliche Austausch vor Ort. Sich extern entsprechend um Kolleginnen und Kollegen im Einsatz zu kümmern, war auf jeden Fall schwieriger als sonst. Wir haben natürlich Einsatzbetreuungsmaßnahmen umgesetzt, aber immer unter Voraussetzung der jeweiligen Landesverordnung zu COVID-19. Man darf ja eines nicht verkennen: Auch die Bundespolizei war auf eine solche Situation nicht vorbereitet – wie auch kein anderes Land und keine andere Behörde. So was war einfach nicht absehbar und dementsprechend musste der ganze Apparat erst einmal anlaufen. Wichtig war es, die Einsatzkräfte erst mal vor Ort zum Beispiel an bestimmte Punkte unserer Landesgrenzen zu bringen, um die politisch vorgegebenen Maßnahmen auch um- und durchzusetzen. Und dann folgt alles Weitere mit Ver- und Entsorgung und so weiter. Wir als Gewerkschaft wissen natürlich grundsätzlich, wie das in der Praxis abzulaufen hat. Wir sind gut vernetzt, und dann erfährt man relativ schnell, ob was klemmt. Und da waren wir natürlich zur Stelle. Das reichte von Schreiben an die Politik bis zur Sicherstellung von genug Wasser- und Desinfektionsmittelvorräten. Gleichwohl muss ich da auch mal eine Lanze für die Bundespolizei brechen. Sie hat sehr flexibel gehandelt und auf Missstände, die in solchen Extremsituationen auch völlig normal sind, schnell reagiert.

Mit welchen neuen Fragen kamen Kolleginnen und Kollegen auf Sie zu?
Relativ schnell kam natürlich die Frage auf: Wie schützt man denn die, die andere schützen, also wie funktioniert Prävention im Einsatzraum? Dazu kamen Fragen zur Digitalisierung, zu Homeoffice, zur Maskenpflicht oder wie überhaupt so ein Dienstalltag unter dem Eindruck von Corona aussieht. Das war schon sehr facettenreich. Und interessant, wir waren ja nicht darauf vorbereitet. Es gab keine Ideallösungen, auch die Behörde hatte keine, und so mussten wir uns alle irgendwie neu erfinden und aus gemachten Fehlern und Erfahrungen lernen, um einen vernünftigen Weg für alle Beteiligten zu finden.
Was wünschen Sie sich aus Gewerkschaftssicht in Zukunft vom Staat, um besser auf solche Ausnahmesituationen reagieren zu können?
Das ist schwierig. Ich habe ja schon erwähnt, jedes der 16 Bundesländer hatte seine eigene Verordnung. Das führte natürlich zu vielen Unsicherheiten. Darauf sollte der Staat entsprechend reagieren. Es wäre also schön, dass, wenn so etwas wieder passiert, ein durchdachtes Konzept vorliegt, die Kolleginnen und Kollegen die volle Unterstützung bekommen und wir flächendeckend und behördenübergreifend vernünftig zusammenarbeiten können. Ich möchte in diesem Zusammenhang die freiwilligen Feuerwehren und das Technische Hilfswerk erwähnen. Wie die vor Ort unterstützt haben – im Ehrenamt wohlgemerkt –, war phänomenal. Aber es muss Konzepte geben, bei denen genau solche Leute von Anfang an mit einbezogen werden. Und vor allem sollten diese Helfer am Ende der Maßnahme einen ganz besonderen Dank erfahren.

„Wir haben relativ schnell erfahren, ob was klemmt.“
MANUEL OSTERMANN
Bundespolizei-Gewerkschafter
aus Nordrhein-Westfalen
Warum bleibt es aus Ihrer Sicht auch nach Corona so wichtig, sich in der Gewerkschaft zu engagieren?
Für mich ist eine Polizeigewerkschaft genau die richtige Instanz, um sich außerhalb der Behörde in der Politik und auch in der Gesellschaft für die Polizei stark zu machen. Ich verstehe uns dabei als verlängerten Arm und auch als Sprachrohr der Behörde nach außen. In diesem Zusammenhang freut es mich ganz besonders, dass heutzutage gerade die jungen Menschen, die zu uns in die Behörde kommen, oft sofort verstehen, wieso es so wichtig ist, eine Gewerkschaft zu haben. Ich glaube, das wird sich mit Blick auf die Zukunft auch nicht mehr ändern. Gerade bei der Schnelllebigkeit der Zeit ist eine starke Gewerkschaft noch viel wichtiger als jemals zuvor.
Neben der Pandemie ist in letzter Zeit auch Gewalt gegen Polizisten wieder ein großes Thema. Wie reagiert Ihre Gewerkschaft darauf?
Wir haben ja schon immer für Akzeptanz und Toleranz gegenüber unseren Kolleginnen und Kollegen gekämpft. Daran wird sich nichts ändern. Was sich aber sehr wohl ändern wird, ist die Deutlichkeit unserer Aussagen gegenüber Politik und Gesellschaft. Wir müssen noch mehr herausstellen, dass die Verrohung gegenüber der Polizei kein Mittel ist und schon mal gar nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun hat. Und wir müssen uns dafür stark machen, dass diese Negativentwicklung ein Ende nimmt. Dazu braucht es eine starke Stimme, die klar anspricht, was falsch läuft und was wir akzeptieren und was wir nicht akzeptieren. Unsere Zielrichtung dabei ist klar: Dieser Umgang mit der Polizei und diese Verrohung der Sprache gegenüber der Polizei ist mit uns definitiv nicht zu machen. Ich glaube, das wird ein Riesenschwerpunkt unserer Arbeit.
Sehen Sie noch weitere große Herausforderungen, bei denen Sie Ihre Stimme erheben wollen oder müssen?
Da gibt es immer Themenbereiche, so ist der Digitalisierungsprozess ja noch lange nicht abgeschlossen. Dann das ewige Dauerthema der richtigen Polizeiausstattung. Und natürlich die Personalfrage. Wir brauchen nicht nur im Vollzugsdienst, sondern gerade auch in der Verwaltung mehr Leute. Darauf müssen wir immer wieder aufmerksam machen, damit so eine Exekutivbehörde auch vernünftig funktioniert. Außerdem verfolgen wir natürlich unsere grundsätzlichen Themen weiter: das Starkmachen des öffentlichen Dienstes und die Attraktivitätsgestaltung einer Polizeibehörde als solches.
Noch mal zurück zur Pandemie. Die Situation für die Grenzschützer, also Menschen die Ein- oder Ausreise zu verweigern, war ja nicht schön, sondern eher schon belastend. Gab es da Feedback?
Natürlich ist eine solche Situation nicht schön. Aber das ist ja genau der Punkt, warum ich unter anderem so stolz auf unsere Polizei bin: Die persönlichen Befindlichkeiten sind erst mal zweitrangig. Wichtig sind der gesetzliche Auftrag und die Vorgaben, in diesem Fall die Corona-Schutzverordnung, die es umzusetzen gilt. Dafür sind wir da und das haben wir auch gemacht. Das heißt nicht, dass Kolleginnen und Kollegen nicht auch betroffen waren und es keinen Diskussionsbedarf gab, aber das klären wir im internen Kreis. Sollte es Situationen gegeben haben, die so belastend waren, dass sie aufgearbeitet werden müssen, sind wir auch da mit professioneller Hilfe gut aufgestellt.