Von der Henne zum Ei bis zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern: Im Referat 34 „Markt und Ernährung, Futtermittelüberwachung“ des Regierungspräsidiums Stuttgart kümmert sich Sonja Neumann um die Marktordnung für Eier. Sie sorgt dafür, dass Menschen beim Kauf von Eiern genau das bekommen, was auf der Verpackung steht. In Sachen Frische, Haltbarkeit und korrekter Kennzeichnung macht ihr so schnell niemand etwas vor.
An einem Septembertag ist Sonja Neumann bei strahlendem Sonnenschein auf dem Weg zu einem Außeneinsatz. Ihre Mission heute: die Eierpackstelle eines Biohofs überprüfen. Es geht von Stuttgart aus raus ins Grüne. In der Packstelle angekommen, findet sie ordentlich gestapelt Hunderte Eier vor. Die automatische Sortieranlage rattert gleichmäßig. Im Hintergrund durchleuchten Mitarbeitende jedes einzelne Ei. „Der Kunde sieht alles, was die Durchleuchtung übersehen hat“, steht auf einem Schild. Die Mitarbeitenden des Biohofs schauen besonders kritisch hin. Ist die Schale glatt und ohne Risse, zählt das Ei zur Güteklasse A und wird in eine Maschine eingelegt, die die Eier zunächst wiegt. Die Maschine setzt dann die A‑Eier in ihre Verpackung – in Vierer‑, Sechser- oder Zehner-Kartons oder auch auf sogenannte 30er-Höcker. Rund 10.000 Eier werden so pro Tag verpackt, etikettiert und mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen. Dann geht es in den Verkauf. Die B‑Eier werden aussortiert. Sie können in zugelassenen Betrieben beispielsweise zur Nudelherstellung oder zum Backen verwendet werden.

sonja neumann
Inspektorin Marktüberwachung Eier
„Mit meinen Kontrollen stelle ich sicher, dass kein Betrieb versucht, sich einen wettbewerbswidrigen Vorteil zu verschaffen.“
Qualitätsüberprüfung vor Ort
Hier kommt die Arbeit der Inspektorin Marktüberwachung Eier des Stuttgarter Regierungspräsidiums ins Spiel. Damit die Menschen später im Supermarkt auch das erhalten, wofür sie bezahlen, kontrolliert sie die Qualität der Eier vor Ort. Wichtiger Helfer dabei ist ihre Durchleuchtungslampe, die sie jetzt auf die Schale eines Eis richtet. Anhand der Luftkammern im Ei kann sie erkennen, ob es noch frisch ist. Mehr Luft bedeutet höheres Alter. Auch Verbraucherinnen und Verbraucher können anhand der vergrößerten Luftkammer erkennen, ob ein Ei schon älter ist – etwa, wenn sie es in ein Wasserglas legen und es oben schwimmt. Und wenn sich beim Schütteln das Innere im Ei bewegt, deutet das ebenfalls daraufhin, dass das Ei nicht mehr ganz frisch ist.
Durch ihren Job und den vorherigen Vorbereitungsdienst an einem Landwirtschaftsamt ist die studierte Pferdewirtschaftlerin längst eine Landwirtschaftsfachfrau und Eier-Expertin geworden und weiß, worauf sie achten muss. Das Mindesthaltbarkeitsdatum von Eiern beträgt 28 Tage, jedoch müssen sie – so sieht es die Verordnung vor – bereits nach 21 Tagen aus dem Verkauf genommen werden. In der Packstelle dürfen außerdem kein Futtermittel oder offene Nahrungsmittel gelagert werden, denn die Eierschale ist luftdurchlässig und nimmt daher leicht Gerüche aus der Umgebung auf. Das gilt es auch beim privaten Lagern im Kühlschrank zu beachten: Wer seine Eier neben Käse legt, riskiert einen Fischgeschmack.
Neumann prüft auch mit einer Waage, ob das Gewicht der Eier passt und sie entsprechend sortiert sind. Mit der Größe „L“ ausgezeichnete Eier müssen zum Beispiel mindestens 63 Gramm wiegen, XL-Eier mindestens 73. „Mit meinen Kontrollen stelle ich sicher, dass kein Betrieb versucht, sich einen wettbewerbswidrigen Vorteil zu verschaffen, indem er etwa L‑Eier als XL-Eier verkauft“, erklärt sie.
Viele Außendienste in der Natur
Zum Zuständigkeitsbereich der Kontrolleurin gehört auch, die Haltung von Legehennen in der Freilandhaltung zu überprüfen. Stimmen die Voraussetzungen, um die Eier als „Eier aus Freilandhaltung“ zu verkaufen? Einen solchen Betrieb sieht sie sich heute ebenso an. Der Geflügelhof ist bereits seit den 1960er Jahren familiengeführt. Schon von weitem hört man Hennen gackern. Auf dem weitläufigen Gelände gibt es viel Rasen und Pflanzen. Besonders auf diese Dinge achtet Neumann: „Ich schaue, ob es die Hühner auch schön grün haben, ob sie von selbst rausgehen und ob der Auslauf groß genug ist.“ Im Freiland müssen pro Henne vier Quadratmeter Fläche zur Verfügung stehen. Um das herauszufinden, läuft sie das Gelände mit einem GPS-Gerät ab. Wenn sie zurück im Regierungspräsidium ist, wird sie basierend auf diesen Daten mit einem geografischen Informationssystem das Freiland vermessen und in einem Bescheid festhalten, ob alle Voraussetzungen erfüllt sind. Im Präsidium hält sie auch Rücksprache mit ihrer Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen. Zudem ist sie in engem Kontakt mit dem Veterinäramt. Ihr Fazit fällt dieses Mal sehr gut aus. „Der Geflügelhof ist ein echter Vorzeigebetrieb, der die Anforderungen sogar übererfüllt.“
Auf einen Tag im Außendienst folgt bei Sonja Neumann ein Tag im Büro, wo sie dokumentiert, was sie im Betrieb kontrolliert hat. Etwa ein Drittel ihrer Arbeitszeit verbringt sie draußen. Diese Abwechslung und der häufige Kontakt mit der Natur sind es, die Neumann an ihrem Job begeistern. „Ich mag an meiner Arbeit, dass ich viel mit Menschen zu tun habe. Ich komme außerdem viel raus in die Natur und mit Tieren in Kontakt.“ Auch der Bezug zur Landwirtschaft und die Zusammenarbeit mit landwirtschaftlichen Betrieben sind ihr wichtig.
Eiermarkt-Boom während Corona
Während der Corona-Pandemie waren Außendienste teils nur sehr eingeschränkt möglich. Zu dieser Zeit boomte der Eiermarkt, da die Nachfrage in Privathaushalten stark gestiegen war. Viele neue Betriebe entdeckten das Geschäft mit den Eiern für sich. Laut Neumann wurde etwa dreimal so viele neue Packstellen zugelassen wie zuvor. Aktuell fallen etwa 250 Packstellen – von kleinen über mittlere bis hin zu großen – in den Zuständigkeitsbereich des Regierungspräsidiums Stuttgart.
Sonja Neumann ist mit ihrer Tätigkeit für die Marktüberwachung auch für die Betriebe wichtige Ansprechpartnerin – und sie schaut genau hin und erläutert ebenso genau, wenn etwas vor Ort nicht ganz passt. „Früher kannte ich Eier nur vom Supermarkt und wusste nicht, was da alles dranhängt. Heute trage ich mit dazu bei, dass Kundinnen und Kunden qualitativ hochwertige Ware erhalten. Das ist ein gutes Gefühl.“
Vor 100 Jahren:
Marktüberwachung noch junge Disziplin
Marktinspektoren, Gesundheitspolizisten und Lebensmittelchemiker waren vor 100 Jahren noch junge Berufe im öffentlichen Dienst. Für ihre Tätigkeit mussten zunächst die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden, die eine behördliche Marktüberwachung bei Lebensmitteln ermöglichten.
Lebensmitteldesign bereits etabliert
In den 1920er-Jahren lagen bereits umfangreiche Erkenntnisse über Vitaminstoffe und Konservierungsmethoden vor. Die Zahl der Zusatzstoffe war gewachsen, Lebensmitteldesign war bereits etabliert. Käsesorten wie Camembert wurden aus Magermilch hergestellt, in Eierteigwaren schwand die Zahl der Eier, Honig enthielt häufig Rübenzucker. Zwar existierten bereits zahlreiche Lebensmittelverordnungen, doch erst im Juli 1927 wurde ein einheitliches Lebensmittelgesetz erlassen. Die Landesregierungen beriefen nun Polizeibeamte und Sachverständige für die Überwachung: Diese waren berechtigt, „die Räume, in denen Lebensmittel gewonnen, hergestellt, zubereitet … oder verkauft wurden, während der Arbeits- und Geschäftszeit zu betreten, Besichtigungen vorzunehmen und Proben zu entnehmen“.
Wissenschaftler forschten derweil an zahlreichen Lebensmitteln. In den staatlichen Versuchsanstalten arbeitete nun ein neuer Berufsstand im öffentlichen Dienst: die Lebensmittelchemiker. Aus einigen dieser Anstalten entstand übrigens später das heutige Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe, nahe der BBBank-Zentrale.

Foto: Christoph Schmidt, Ullstein